Die zielgenauen Maßnahmen der Bundesregierung in den Konjunkturpaketen tun Handwerk und Mittelstand gut, so ZDH-Präsident Otto Kentzler im Interview mit dem Weser-Kurier (25. August 2009). Viele öffentliche Investitionen erreichen bereits die Betriebe. Kentzler begrüßt vor allem die vereinfachten Ausschreibungsregeln: "Das hilft den Kommunen, die Arbeit und die Aufträge in den Regionen zu halten."
Otto Kentzler: Nach wie vor sind nicht alle Schulabgänger so vorbereitet, dass sie eine Handwerkslehre beginnen können. Handwerk erfordert heute ein hohes Maß an technischen Fertigkeiten. High Tech ist in den meisten Handwerksberufen Alltag. Hammer, Meißel und Schlitze stemmen das allein ist nicht mehr die Wirklichkeit.
Kentzler: Im Gegenteil. Wir sind optimistisch, dass Niveau des Vorjahres erreichen zu können. Wir haben nach wie vor noch freie Lehrstellen. Und die Betriebe melden täglich weitere freie Ausbildungsplätze an.
Kentzler: Sie spielen auf den Slogan "Der nächste Meister ist ein Türke" an. Damit wollen wir deutlich machen: Handwerk ist offen für alle jungen Leute, die etwas leisten wollen. Deshalb gehen wir natürlich auch auf die jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu.
Kentzler: Dass die Betriebe so viele Lehrlinge einstellen, ist ein Zeichen dafür, dass sie zuversichtlich sind. Wir rechnen über das Jahr gesehen mit einem Umsatzminus von rund zwei Prozent. Das ist weit entfernt von den Horrorszenarien, die derzeit oft an die Wand gemalt werden. Und bei den Beschäftigtenzahlen bin ich auch sehr zuversichtlich, dass wir ohne große Verluste auskommen. Wir rechnen mit maximal 25.000 bis 40.000 minus.
Kentzler: Ja, das kann man so sagen. Ich merke, dass die Stimmung steigt. Wenn ich in meinen Betrieb reinkomme, dann spüre ich geradezu die Zuversicht. Im ersten Quartal ließen viele noch die Köpfe hängen angesichts der vielen schlechten Nachrichten. Jetzt erhalten viele Betriebe zusätzliche Impulse durch die Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket II, denken Sie allein an die öffentlichen Investitionen, die jetzt zu wirken beginnen.
Kentzler: Das Handwerk hatte seine Rezession zwischen 2000 und 2005. Seinerzeit haben wir rund 1,5 Millionen Mitarbeiter verloren. Das liegt hinter uns. Heute stellen wir mit unseren 4,8 Millionen Mitarbeitern rund die Hälfte des verarbeitenden Gewerbes dar. Bei uns ist die Konjunktur vergleichsweise stabil und auch bei der Industrie wird es bald aufwärts gehen. Die deutschen Produkte sind in der Welt gefragt.
Kentzler: Die Große Koalition hat in den vergangenen Jahren einige zielgenaue Maßnahmen ergriffen, die dem Mittelstand und dem Handwerk gut tun.
Kentzler: Aber wie soll das denn auch gehen? Es dauert immer einige Monate, bis ein Gesetz umgesetzt wird und dann noch einmal einige Monate, bis der Auftrag das Handwerk erreicht und abgearbeitet ist. Erst danach fließt das Geld der öffentlichen Kassen. Vorauszahlungen gibt es bei uns leider nicht.
Kentzler: Die Kreditversorgung im Handwerk funktioniert im Wesentlichen gut. Es werden mehr Kredite ausgereicht als im Vorjahr. Allerdings häufiger Betriebsmittelkredite. Die Kreditversorgung sichern vor allem die regionalen Sparkassen, sowie die Volks- und Raiffeisenbanken.
Kentzler: ...die klassischen Baubetriebe leiden, das stimmt. Aber die Ausbaubetriebe profitieren von den Maßnahmen der Regierung. Und dass die Ausschreibungsregelungen stark vereinfacht wurden. Das hilft den Kommunen, die Arbeit und die Aufträge in den Regionen zu halten.
Kentzler: Die nächste Bundesregierung muss sich in der Tat etwas einfallen lassen, um den privaten Wohnungsbau wieder anzukurbeln. Das eigene Heim ist nun einmal der Wunsch der meisten Deutschen. Deswegen sollte die nächste Bundesregierung sich einen neuen Weg zur Förderung überlegen. Die Eigenheimzulage, die 2006 abgeschafft wurde, wird nicht wieder kommen, das wissen wir. Aber wir brauchen Impulse für den privaten Wohnungsbau.
Kentzler: Wir starten Anfang 2009 eine Kampagne, um den Menschen klar zu machen, was Handwerk bedeutet und dass die mehr als 100 Berufe des Handwerks nicht altbacken sind, sondern modern und technologisch auf dem neuesten Stand.
Kentzler: Es ist ein Problem, die Jugend zu begeistern. Aber genau das soll diese Kampagne erreichen. Viele Berufe, die im Alltag unersetzlich sind, ordnet man gar nicht mehr dem Handwerk zu. Das wollen wir ändern. Nehmen Sie etwa die Berufe aus dem Gesundheitshandwerk: Orthopädietechniker, Optiker und Hörgeräteakustiker sind High Tech Berufe, die für viele Menschen unverzichtbare Hilfsmittel herstellen. Dass Handwerk dahinter steckt, wissen leider nur die Wenigsten.
Interview: Günther Hoerbst
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