Das Fällen einzelner Bäume in tropischen Wäldern wurde bisher als relativ naturverträglich angesehen. Das ist es bei weitem nicht immer, so das Fazit einer neuen Studie. Es kommt darauf an, wie stark die Wälder genutzt werden.
Holz von tropischen Bäumen ist wertvoll und wird daher gefällt. Nicht in jedem Fall geschieht dies im Rahmen einer Rodung ganzer Waldstücke, bei der auf einen Schlag wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere zerstört wird. Mancherorts gibt es in tropischen Regenwäldern auch eine Nutzung von Einzelbäumen – von Fachleuten auf Englisch als «selective logging» bezeichnet. Einzelne grosse, wertvolle Bäume werden dabei gefällt, der Wald bleibt ansonsten aber mehr oder minder intakt. Die Auswirkungen dieser Praxis auf die Biodiversität ist allerdings umstritten. Frühere Studien unterschieden kaum zwischen verschiedenen Intensitätsgraden des «selective logging».
ETH-Doktorandin Zuzana Burivalova untersuchte nun erstmals gemeinsam mit Kollegen, inwiefern die Auswirkungen auf die Artenvielfalt von der Nutzungsintensität abhängen. In einer Übersichtsstudie analysierte sie die Daten von knapp 50 unabhängigen, in den vergangenen Jahren gemachten Untersuchungen zu diesem Thema. Dabei kommt die Umweltwissenschaftlerin zum Schluss, dass die verschiedenen, unter «selective logging» subsummierten Nutzungsarten nicht über einen Kamm geschert werden dürfen. Weil die Wissenschaft bisher genau dies machte, hat sie nach Ansicht der Forscherin «selective logging» in Tropenwäldern in einem zu rosigen Licht dargestellt.
«Entscheidend für die Auswirkungen auf die Biodiversität ist primär, wie viel Holz in einem Wald gefällt wird, zu einem geringeren Anteil aber auch, wie vorsichtig die Arbeiter vorgehen», erklärt Burivalova. So gebe es durchaus Formen von kleingewerblicher Nutzung, die sich, wenn sie vorsichtig ausgeübt und gut organisiert seien, nur gering auf die Biodiversität auswirkten. Bei intensiven Nutzungen mit Bulldozern und anderem schwerem Gerät hingegen seien die Kollateralschäden oft gross. Unter dem Deckmantel des «selective logging» gebe es beispielsweise in Borneo Konzessionen für Holzkonzerne. Die dabei vereinbarten Nutzungsmengen seien aber oft viel zu hoch und daher nicht nachhaltig.
Wie die Wissenschaftlerin zeigen konnte, sind die negativen Auswirkungen der intensiven Nutzung auf die Anzahl der im Wald lebenden Arten von Säugetieren, Amphibien und wirbellosen Tieren sehr direkt. «Je stärker ein Wald genutzt wird, desto schlechter steht es um diese Tiergruppen», sagt Burivalova.
Interessanterweise sieht es für die Vögel auf den ersten Blick anders aus: Vögel scheinen weniger anfällig auf die Waldnutzung zu sein als die anderen untersuchten Tiergruppen. Mit zunehmender Nutzung wandern sogar neue Vogelarten in den Wald, die Artenzahl steigt.
Burivalova relativiert allerdings: Bei genauerem Hinsehen zeige sich, dass die zugewanderten Vogelarten solche seien, die allgegenwärtig seien, weil sie wenig Ansprüche an ihren Lebensraum stellten. Die auf unberührten Tropenwald spezialisierten Vogelarten – darunter solche, die für ihre Nahrung auf eine spezielle Pflanze angewiesen sind oder nur in sehr grossen Bäumen nisten – hingegen reagieren auf die Waldnutzung genau so empfindlich wie die anderen untersuchten Tierklassen.
Warum sich einige Vogelarten in einem stärker genutzten Wald offensichtlich wohler fühlen, andere jedoch bereits bei mässiger Waldnutzung verschwinden, möchte Burivalova in einer weiteren Forschungsarbeit untersuchen. Möglicherweise habe das damit zu tun, dass die Generalisten unter den Vögeln vom grossen Nahrungsangebot in den durch die Nutzung entstandenen Lichtungen profitierten, sagt sie. Spezialisierte Regenwaldvögel hingegen verlören wohl ihren spezifischen Lebensraum. Mit dieser Forschung möchte die Umweltwissenschaftlerin dazu beitragen, dass bei der Nutzung von Tropenwäldern in Zukunft die Fauna weniger Schaden nimmt.
Burivalova Z, Şekercioğlu ÇH, Koh LP: Thresholds of Logging Intensity to Maintain Tropical Forest Biodiversity. Current Biology, 2014. 24: 1-6. doi: 10.1016/j.cub.2014.06.065 [http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2014.06.065]
Kommentar hinzufügen