Industrielle Biotechnologie – Trend zu Chemie ohne Erdöl



Erdöl bildet heute weitgehend die Basis für die Chemie. Endliche Ressourcen sowie politische Unsicherheiten gefährden diese Grundlage. Biotechnologische Verfahren mit neuen mikrobiologischen Prozessen ermöglichen zunehmend den Einsatz nachwachsender Rohstoffe und bieten zudem die Chance auf Bindung von Kohlendioxid. Aktuelle Projekte in Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigen sich bereits in großem Umfang mit der Herstellung chemischer Erzeugnisse mittels biotechnologischer Verfahren. Als Rohstoffbasis dienen dabei land- und forstwirtschaftliche Produkte und Reststoffe. Über die Auswahl der Rohstoffe und verschiedener Plattformchemikalien lassen sich Produkte wie Polymere , Feinchemikalien, Lösungsmittel oder Biokraftstoffe herstellen. Gerade bei den Biokraftstoffen der zweiten Generation werden Reststoffe aus der Agrarwirtschaft eingesetzt, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung stehen.

Die Entwicklung und Gewinnung biobasierter Chemikalien erfordert dabei die Zusammenarbeit zahlreicher Partner über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, von der Pflanzenbiotechnologie über Fermentationstechnologien und Biokatalyse bis zur großtechnischen Umsetzung in der Industrie.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil: „Bayern ist deutschlandweit führend in den Life Sciences. Das gilt in besonderer Weise auch für die industrielle Biotechnologie als einem Zukunftsfeld in der chemischen Industrie. Diese hat im Freistaat eine technologische Führungsrolle. Hierfür stehen exzellente wissenschaftliche Institute und Forschungseinrichtungen sowie hoch innovative mittelständische Firmen und Großunternehmen.“

Beim 7. Internationalen Kongress „Forum Life Science“ am 23./24. März 2011 an der Technischen Universität München in Garching werden in der Reihe „Industrial Biotechnology“ Beispiele erfolgreicher Lösungsansätze der biotechnologischen Forschung und Industrie auf Grundlage biowissenschaftlicher Erkenntnisse diskutiert sowie neue Technologien und Produktentwicklungen vorgestellt.

Im Plenum wird Dr. Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie, München, auf die produktive Partnerschaft von Chemie und Biotechnologie eingehen. Entwicklungen der Pflanzenbiotechnologie als wesentlichen Baustein für die angestrebte Bioökonomie stellt Dr. Stefan Marcinowski als Mitglied des Vorstandes der BASF vor.

Rohstoffe, Verfahren und Produkte der „Weißen Biotechnologie“

Zahlreiche Unternehmen und Institutionen engagieren sich, um mit gezielten Projekten mittelfristig einen schrittweisen Wechsel der Rohstoffbasis der chemischen Industrie zu erzielen. Der Kongress präsentiert beispielhaft Vorhaben, die weitere Impulse setzen können.
In einem einführenden Vortrag erläutert Dr. Alfredo Aguilar-Romanillos, Europäische Kommission, Brüssel, die auf eine nachhaltige, biobasierte Industrie zielende Rohstoffstrategie der EU. Diesem Zweck hat sich auch FPInnovations aus Quebec/Kanada verschrieben. Jean Hamel zeigt die Erweiterung der Wertschöpfungskette von Holz über die Papierherstellung und die Verwendung als Bau- und Brennstoff hinaus. So soll Holz zukünftig verstärkt als Ausgangsstoff für chemische Produkte verwendet werden.

Nicht immer müssen pflanzliche Rohstoffe eigens angebaut werden. Dr. Andre Koltermann, Süd-Chemie, München, stellt mit dem Sunliquid-Verfahren die nachhaltige Produktion von Cellulose -Ethanol aus Agrarreststoffen wie z. B. Stroh vor. Die direkte Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoffquelle für Fermentationsprozesse wird von Dr. Thomas Haas, Evonik Degussa, Marl, als zukunftweisende Option präsentiert.

Prof. Dr. Thomas Hirth, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart, schildert die Vernetzung bestehender Industriestandorte zu einer geschlossenen Chemieproduktion auch für biobasierte Chemikalien. Prof. Dr. Dirk Weuster-Botz, Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik, Technische Universität München, Garching, entwickelt und optimiert die mikrobielle Herstellung von Bernsteinsäure, einer multifunktionellen Plattformchemikalie. Heutige Verfahren erlauben nach Patrick Piot von der Firma Bioamber, Frankreich, schon Produktionskapazitäten von mehreren tausend Tonnen Bernsteinsäure im Jahr. Den Übergang zur zellfreien, hocheffizienten Herstellung erklärt Prof. Dr. Volker Sieber, Lehrstuhl für Chemie biogener Rohstoffe, Straubing, anhand der Gewinnung von Bio-Alkoholen.

Biotechnologische Wege zu „grünem“ Polyvinylacetat geht die Wacker Chemie, München, wie Dr. Günter Wich präsentieren wird. Wertgebende Lebensmittelinhaltsstoffe lassen sich nicht nur in höheren Pflanzen, sondern auch von Mikroorganismen herstellen, die als Zellfabriken dienen. Dies präsentiert Jochen Förster von der Firma Fluxome, Dänemark. Dass Mikroorganismen sogar zur Gewinnung von Hochleistungsmaterialien wie Spinnenseide genutzt werden, erläutert Axel H. Leimer von Amsilk in Martinsried. Bei der mehrfach ausgezeichneten Biotechfirma werden spezifische E. coli-Bakterien als Produzenten eingesetzt.

Der Kongress

Über 60 Referenten aus 12 Ländern konnten gewonnen werden. Erwartet werden rund 1.000 Teilnehmer aus 20 Ländern aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Asien. Über 100 Aussteller haben sich angemeldet; die Ausstellung ist damit ausgebucht. Zusätzlich werden in mehr als 50 Posterbeiträgen neueste wissenschaftliche Ergebnisse präsentiert.

Neben der Vortragsreihe „Industrial Biotechnology“ sind weitere Schwerpunkte „Pharma Development“ sowie „Food & Nutrition“. Die Themen reichen von Wirkstoffentwicklung, personalisierte Medizin und zellbasierte Therapien in der Pharma-Reihe bis hin zu weltweiter Ernährungssicherung, Kooperationsstrategien für eine verbesserte regionale Wertschöpfung in Entwicklungsländern sowie den Zusammenhängen von Ernährung und Gesundheit in der Reihe Food & Nutrition.

Der alle zwei Jahre stattfindende, internationale Kongress vermittelt Information über neueste Entwicklungen aus Wirtschaft und Wissenschaft und ermöglicht den aktiven Austausch von Erfahrungen. Daraus lassen sich gezielt neue interdisziplinäre Kooperationen anbahnen – für die nächste Generation innovativer Produkte in den Life Sciences. Zielgruppen sind Experten und Anwender der Biotech-, Chemie-, Pharma-, und Lebensmittelindustrie sowie der Agrarwirtschaft, der Analytik, des Anlagenbaus und der Verfahrenstechnik.

Der Kongress wird von der Bayern Innovativ GmbH, Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer des Freistaates, konzipiert und organisiert und durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie gefördert.
Er unterstützt in besonderer Weise die Cluster-Offensive mit den bayernweiten Clustern Biotechnologie, Ernährung, Chemie und Medizintechnik.

Weitere Informationen:

http://www.bayern-innovativ.de/fls2011 - das vollständige Programm und weitere Informationen zum Kongress

Autor:
Holzi am 15. Mär. 2011 um 09:25 Uhr
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