Einige Schreiber frohlockten bereits, die Bauregellisten (BRL) seien gekippt. Doch jeder, der das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Aktenzeichen C-100/13) näher analysiert, dürfte die Situation anders beurteilen. Denn das Urteil vom Oktober dieses Jahres bezieht sich ausschließlich auf die Nachregelungen europäisch gekennzeichneter Produkte (Bauregelliste B), die in harmonisierten Normen (CE) geregelt sind.
Deutschland hatte kritisiert, dass diese Normen unvollständig seien. Dem folgte der EuGH nicht. Er verwies vielmehr darauf, dass Deutschland es vorab unterlassen habe, die Normen im Rahmen der europäischen Verfahren zu korrigieren.
Auch nach Ansicht der Klägerin, der Europäischen Kommission, darf die Bundesrepublik Deutschland – selbst wenn ihrem Vorbringen, eine europäische harmonisierte Norm sei lückenhaft, zuzustimmen wäre – keine einseitigen Maßnahmen vornehmen. So hatte Deutschland nachgeregelt und – neben dem CE – das Ü-Zeichen als weiteren Nachweis gefordert. Die Europäische Kommission betonte ihrerseits, dass die in der Richtlinie 89/106 vorgesehenen Verfahren einzuhalten seien. Damit ist auch klar, dass sich das Urteil auf die alte EU-Richtlinie und nicht auf die aktuelle Bauproduktenverordnung (BauPVO) bezieht.
Für Tischler und Schreiner kam die deutsche Zusatzmaßnahme unter anderem in Sachen Toren, Fenstern und Außentüren (DIN EN 14351-1) zur Anwendung. Diese wurden hinsichtlich des Brandverhaltens nach laufender Nr. 1.6.7 durch den Verweis auf die Landesbauordnungen (LBO) mit dem Ü-Zeichen nachgeregelt und mussten zusätzlich der Bauregelliste A, Teil 1, Anlage 6.5 entsprechen. Tischler Schreiner Deutschland hatte dies, wie auch weitere Nachregelungen, zum Beispiel im Parkettbereich, immer wieder kritisiert.
Der EuGH bewertet das deutsche Verhalten als einseitige Maßnahme und als klassisches Handelshemmnis, die es gerade durch die EU-Richtlinien zu beseitigen gilt. „Insofern wurden die Bauregellisten im Wirtschaftsurteil inhaltlich der Beschränkung der Handelbarkeit zugeordnet“, sagt TSD-Hauptgeschäftsführer Martin Paukner.
Zugleich könnte man meinen, das Gericht habe sich auch zur Verwendung von Bauprodukten geäußert. Der EuGH geht allerdings nur von einer Brauchbarkeitsvermutung aus, wenn Bauprodukte in Bauwerken den wesentlichen Anforderungen nach Art. 3 entsprechen und die CE-Kennzeichnung tragen. So bleibt, wenn auch verklausuliert, die Verwendung von Bauprodukten national (LBO) geregelt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Deutschland durch das Urteil einen kleinen Denkzettel erhalten hat. Die europäische Industrie hatte sich immer wieder beschwert, dass der freie Warenverkehr behindert sei. Bleibt abzuwarten, wie Deutschland nun auf die neue Herausforderung der fehlenden Vollständigkeit von Normen reagieren wird. Die entsprechenden Mandatsergänzungen laufen bereits.
Dennoch wird man nun auch seitens der Regelsetzer die Inhalte der Normen verstärkt begleiten müssen. Eine Aufgabe, der man sich in Deutschland bisher nur unzulänglich gestellt hat. Die praktizierte Nachregelung über das Ü-Zeichen ist zumindest nicht mehr möglich. Insofern besteht für die BRL Anpassungsbedarf.
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